Skip to content

Interview in der Badischen Zeitung: LKW-Fahrer händeringend gesucht

Immer öfter bleibt der Platz hinterm Steuer von Lastwagen leer – die Logistikunternehmen suchen dringend nach Fahrern. Foto: Markus Zimmermann
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Fr, 16. November 2018. Artikel von Markus Zimmermann:

 

Der Endinger Transportunternehmer Holger Döpke befürchtet eine Katastrophe, die weite Kreise ziehen wird.

KREIS EMMENDINGEN. Im Sommer wurden in Emmendingen Mülleimer nicht geleert, weil in der Firma Remondis Fahrer krankheitsbedingt ausgefallen waren. Für Spediteur Holger Döpke ist die Frage, ob das Transportgewerbe mangels Fahrer in Schwierigkeiten kommen könnte, längst entschieden. Für Döpke ist die Katastrophe vorprogrammiert, die weit über das Gewerbe hinausreiche, denn die Brummis auf den Straßen seien „die Blutkörperchen der Wirtschaft“. Ohne sie stehen Bänder still, bleiben Regale leer, versiegen Zapfsäulen.

Die Personalsituation:
„An vier Tagen in der Woche beschäftigt uns die Frage des Fahrermangels“, sagt Holger Döpke, Seniorchef der Spedition, die an ihren Niederlassungen in Endingen und Hannover für 100 Fahrzeuge 120 Fahrer beschäftigt. Es werde immer schwieriger, ausreichend Fahrer zu haben und zu bekommen − und das bei steigendem Auftragsvolumen in der Logistikbranche.

Die Ursachen:
Für Holger Döpke und seinen Sohn Alexander gibt es mehrere Erklärungen. Während des Wehrdiensts hätten sehr viele Soldaten einen Lkw-Führerschein erworben. Für Quereinsteiger eine wichtige Grundlage, um als Berufskraftfahrer einzusteigen. Mit der Wehrpflicht sei diese „natürliche Reserve“ verschwunden. Wer den Führerschein mit allen Prüfungen bei einer Fahrschule machen wolle, müsse heute 8000 bis 10 000 Euro bezahlen. Zeitgleich gehe seit Jahren die Schere zwischen Einsteigern und Fahrern, die in Ruhestand gehen, deutlich auseinander. Auf fünf Fahrer, die in Ruhestand gingen, komme ein Azubi. „Langfristig hilft es nicht, wenn Rentner weiter am Steuer sitzen“, sagt Alexander Döpke.

Die Antwort der Branche:
Lange wurde versucht, die Lücken durch ausländische Kräfte, vor allem aus osteuropäischen Staaten zu füllen. Doch diese Quelle versiegt, denn auch dort wird mittlerweile mehr bezahlt, verbessern sich die Arbeitsbedingungen. Für Döpke steht auch fest, dass mehr Ausbildungsplätze angeboten werden müssen. „Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen“, sagt Holger Döpke. Von 2019 an werde das Unternehmen zwei Ausbildungsplätze für Berufskraftfahrer anbieten. Ob sich dann auch Bewerber finden, sei offen. Das gesellschaftliche Ansehen des Berufs sei nicht gut. Holger Döpke: „Die Routier in Frankreich haben ein ganz anderes Renommee“.

Die Gigaliner:
„Ökologisch und ökonomisch eine tolle Sache“, kommentiert Holger Döpke die neue Riesenklasse. Zwei Großlaster könnten drei Fahrzeuge bisheriger Dimension ersetzen. „Wo jedoch ist die Infrastruktur für diese großen Fahrzeuge?“, sei die Frage. Auf fast allen Rastplätzen jedenfalls gebe es keine Parkplätze für Fahrzeuge dieser Dimension. Demnach sei ein Gigaliner nur für Transporte ohne Fahrerpause einsetzbar. Außerdem sei bislang an der Grenze Schluss. „Wir brauchen keine deutsche, wir brauchen eine europäische Lösung.“

Das autonome Fahren:
Geredet wird viel über fahrerloses Fahren. Für Döpke ist das aber Zukunftsmusik, die vor allem eines bewirke: Sie halte jungen Menschen davon ab, den Beruf des Berufskraftfahrers zu erlernen. Zugleich liegen Vater und Sohn Döpke in ihrer Einschätzung auseinander, wann denn die ersten fahrerlosen Lkw über die Straßen rollen − in den nächsten Jahrzehnten glauben sie nicht daran. „Vorher fahren die Züge ohne Lokführer“, sagt Holger Döpke und ergänzt: „Es geht ja nicht nur darum, von A nach B zu fahren.“ Beim Beladen und Entladen gebe es oft individuelle Herausforderungen.

Langfristige Lösungsansätze:
Den Ansatz für eine Lösung sieht Alexander Döpke vor allem in der Mitarbeiterzufriedenheit: moderne Fahrzeuge, gute Bezahlung und maßgeschneiderte Arbeitsplätze. Das helfe im Moment auch beim Wettbewerb um die Fahrer, die es noch gibt. In der Pflicht sieht Holger Döpke die Politik. „Es nimmt die Lust am Beruf, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.“ Parkplatznot sorge immer wieder für Lenkzeitüberschreitungen. Außerdem sollten Wechselwillige bei Umschulung unterstützt werden. Qualifizierte Zuwanderung auch ein Thema: „Wer zehn Jahre in Syrien Lkw gefahren hat, beherrscht das Fahren, die Technik“.

 

Verweis auf den originalen Artikel in der Badischen Zeitung: Hier klicken.

 

An den Anfang scrollen